Lohn-Mandanteninformation März 2018

von 1 März, 2018Lohninfos

Arbeitgeberpflichten bei Bewerbung schwerbehinderter Menschen

Wenig bekannt, aber durch jeden Arbeitgeber zu beachten ist die Pflicht, gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX, bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes zu prüfen, ob dieser mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann. Außerdem besteht die Pflicht für jeden Arbeitgeber zur rechtzeitigen Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit. Diese Pflichten treffen nicht nur öffentliche Arbeitgeber, sondern laut der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (Urteil vom 13.10.2011, Az. 8 AZR 608/10) alle Arbeitgeber. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber kann sich auf die gesetzliche Vermutung berufen, dass die Verletzung der Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lässt. Daraus resultieren dann Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, § 15 Abs. 2 AGG.

Die Arbeitgeberpflichten sind unabhängig davon, ob ein schwerbehinderter Mensch seinen Status bei der Bewerbung offenbart hat. Der Arbeitgeber muss, um auch arbeitslose und arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen, rechtzeitig vorab Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen und nachfragen, ob eine geeignete schwerbehinderte Person benannt werden kann. Es ist daher dringend zu empfehlen, bei jeder Stellenausschreibung unbedingt bei der Agentur für Arbeit nachzufragen, ob eine geeignete schwerbehinderte Person benannt werden kann.

 

Zuflusszeitpunkt bei Arbeitslohn aus Beiträgen des Arbeitgebers zu einer Direktversicherung

Arbeitslohn aus Beiträgen des Arbeitgebers zu einer Direktversicherung des Arbeitnehmers für eine betriebliche Altersversorgung fließt dem Arbeitnehmer dann zu, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsbeitrag tatsächlich leistet. Auf die Erteilung einer Einzugsermächtigung zugunsten der Versicherung kommt es nicht an.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarten gegen Ende des Jahrs 2010 eine Entgeltumwandlung und den entsprechenden Abschluss eines Direktversicherungsvertrags. Der Versicherungsschein wurde noch im Dezember 2010 ausgestellt. Die Versicherung zog den Jahresbeitrag von 4.440 € jedoch erst im Januar 2011 ein. Den Beitrag für das Jahr 2011 buchte der Versicherer vereinbarungsgemäß im Dezember 2011 ab. Der Arbeitgeber behandelte die Versicherungsbeiträge in seinen Lohnsteuer-Anmeldungen jeweils als steuerfreien Arbeitslohn. Das Finanzamt war der Ansicht, dass von dem insgesamt 2011 zugeflossenen Betrag (8.880 €) die Hälfte steuerpflichtig sei.

Der Bundesfinanzhof[1] hat dies bestätigt. Ein Zufluss von Arbeitslohn liegt erst dann vor, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsbeitrag tatsächlich an die Versicherung leistet. Soweit der Arbeitslohn den gesetzlich geregelten steuerfreien Betrag[2] übersteigt, hier 4.440 €, ist er als sonstiger Bezug individuell zu versteuern.[3]

 

Keine Kündigung trotz Verletzung von Compliance-Regeln

Wenn Mitarbeiter gegen Compliance-Regeln ihres Arbeitgebers verstoßen, kann dies zur Kündigung führen, weil dem Arbeitgeber massive Nachteile entstehen können, z. B. der Ausschluss von Vergabeverfahren oder Geldbußen. Eine Kündigung muss aber nicht immer gerechtfertigt sein, wie eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin‑Brandenburg[4] zeigt.

Eine bei einem Energieunternehmen beschäftigte Mitarbeiterin führte Vertragsverhandlungen mit einem Kunden. Dieser verlangte wiederholt und nachdrücklich, dass ihm private finanzielle Vorteile gewährt werden, wenn es zu einem Vertragsabschluss kommen solle. Die Mitarbeiterin korrespondierte hierüber mehrfach mit ihrem direkten Vorgesetzten. Schließlich schloss sie mit dem Kunden einen Vertrag, der nicht den internen Compliance-Regeln entsprach. Ihr wurde zunächst fristlos und dann ordentlich gekündigt.

Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hielt der Klägerin zugute, dass sie aus der Korrespondenz mit ihrem Vorgesetzten den Eindruck gewinnen durfte, dieser halte die Gewährung der finanziellen Vorteile für möglich. Außerdem habe sie den Compliance-Verstoß eingeräumt und aktiv an dessen Aufklärung mitgewirkt. Nach all dem sei schon eine ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt, erst recht keine außerordentliche Kündigung.

 

Fälligkeit des Arbeitslohns

Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, nach der das Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung erst zwischen dem 15. und dem 20. des Folgemonats fällig ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher unwirksam.[5]

Grundsätzlich ist die Vergütung nach Leistung der Dienste zu zahlen.[6] Wird von diesem Grundsatz abgewichen, darf das nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen. Gerechtfertigt ist ein Abweichen zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber die Vergütung monatlich neu berechnen muss und dem Arbeitnehmer vorher zumindest einen Abschlag zahlt. Dies lag im Urteilsfall jedoch nicht vor.
(Quelle: Landesarbeitsgericht Baden‑Württemberg[7])

 

Arbeitnehmerhaftung: Kassiererin haftet nicht,
wenn sie professionell betrogen wurde

Eine Mitarbeiterin, die auf einen Betrug zum Nachteil ihres Arbeitgebers hereinfällt, muss ihm dafür nicht zwangsläufig haften. Dies geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf[8] hervor.

Eine Tankstellenkassiererin, die nach ihrem Arbeitsvertrag nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haftete, war Opfer einer sog. Spoofing-Attacke geworden. Beim Spoofing täuschen Betrüger eine falsche Identität vor. Im konkreten Fall gab sich ein erster Anrufer als Mitarbeiter einer Telefongesellschaft aus und behauptete, die in der Tankstelle vorhandenen Prepaid-Karten müssten ausgetauscht werden. Dazu sei es erforderlich, dass die Codes der Karten dem Systembetreiber der Tankstelle mitgeteilt würden. Ein Mitarbeiter dieser Firma werde sich später melden. Unmittelbar danach rief eine zweite Person, die sich als Mitarbeiter des Systembetreibers ausgab, bei der Tankstellenmitarbeiterin an, die daraufhin alle Prepaid-Karten in das System einscannte und dieser Person die dazugehörigen Codes telefonisch mitteilte. Anders als sonst erschien dabei im System kein Warnhinweis, Codes von Prepaid-Karten nicht am Telefon mitzuteilen. Durch Manipulationen hatten die Betrüger erreicht, dass bei ihren Anrufen in der Tankstelle im dortigen Display die Telefonnummern der von ihnen angeblich vertretenen Firmen erschienen. Eine Versicherungsgesellschaft ersetzte dem Arbeitgeber den entstandenen Schaden von rd. 4.000 €, wollte aber bei der Mitarbeiterin Rückgriff nehmen. Die Mitarbeiterin sei bei ihrem Arbeitsantritt darauf hingewiesen worden, Codes von Prepaid-Karten nicht am Telefon herauszugeben.

Das Gericht wies die Klage ab, weil die Kassiererin nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Vielmehr sei sie Opfer eines professionellen Betrugs geworden.

 

Gewährung der wöchentlichen Ruhezeit für Arbeitnehmer

Jeder Arbeitnehmer hat pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden.[9] Dabei muss die Mindestruhezeit nicht direkt auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgen. Im Hinblick auf die Festsetzung des Zeitpunkts, in dem die Ruhezeit zu gewähren ist, räumt die entsprechende EU‑Richtlinie den Mitgliedstaaten Ermessen ein.

So entschied der Gerichtshof der Europäischen Union[10] im Fall eines Angestellten in einem portugiesischen Casino, der zum Teil an sieben aufeinanderfolgenden Tagen gearbeitet hatte. Nach Beendigung seines Arbeitsvertrags verlangte er Schadensersatz, weil ihm die jeweils siebten Tage als Überstunden hätten vergütet werden müssen und ihm keine Ausgleichsruhezeit gewährt worden sei.

 

Diese Informationen stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung oder gar eine verbindliche Auskunft dar und können eine Einzelfall-Beratung nicht ersetzen. Für etwaige Erläuterungen oder Nachfragen stehen wir Ihnen auch persönlich gern zur Verfügung. Bei Fragen zum Arbeitsrecht wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Oliver Stumm, Tel.-Nr. 06421/4006-120.

GWB Boller & Partner mbB
Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte

[1]     BFH, Urt. v. 24.08.2017, VI R 58/15, BFH/NV 2018, S. 98, LEXinform 0950665.
[2]     § 3 Nr. 63 EStG.
[3]     § 11 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG.
[4]     LAG Berlin‑Brandenburg, Urt. v. 17.05.2017, 4 Sa 30/17, LEXinform 4042939.
[5]     § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
[6]     § 614 Satz 1 BGB.
[7]     LAG Baden‑Württemberg, Urt. v. 09.10.2017, 4 Sa 8/17, BB 2017, S. 2548, LEXinform 5215378.
[8]     LAG Düsseldorf, Urt. v. 29.08.2017, 14 Sa 334/17, LEXinform 0447017.
[9]     Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung.
[10]    EuGH, Urt. v. 09.11.2017, C 306/16, NZA 2017, S. 1521, LEXinform 5215282.

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