Berechnung der Entgeltfortzahlung für Krankheits- und
Urlaubszeiten bei Rufbereitschaft
Ein Entgelt für die Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft ist in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall einzubeziehen. So entschied das Bundesarbeitsgericht[1] im Fall eines Oberarztes, auf dessen Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag anzuwenden war.
Laut Tarifvertrag sollten bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung variable Entgeltbestandteile als Durchschnitt auf der Basis der letzten drei vollen Kalendermonate, die dem Ereignis vorausgehen, herangezogen werden. Ausgenommen war dabei das Entgelt für Überstunden. Gemäß dem Tarifvertrag bemisst sich das Entgelt für die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft zwar nach den Regelungen für Überstunden. Nach Auffassung des Gerichts ist es aber trotzdem bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen, weil der Tarifvertrag die Rufbereitschaft als eine besondere Form der Arbeitsleistung regelt.
Höhe der Weihnachtsgratifikation bei einseitigem
Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers
Ein im Jahr 1984 geschlossener Arbeitsvertrag enthielt die Regelung, dass zusätzlich zum Grundgehalt als freiwillige Leistung eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.
Nachdem der Arbeitnehmer in den Jahren bis einschließlich 2013 jeweils ein ganzes Bruttogehalt als Gratifikation erhalten hatte, zahlte der Arbeitgeber 2014 unter Hinweis auf ein sich abzeichnendes negatives Betriebsergebnis nur ein halbes Bruttogehalt.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts[2] nahm der Arbeitgeber damit das ihm eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht[3] in zulässiger Weise wahr. Auch die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen Zeitraum von 20 Jahren führt nicht dazu, dass jede andere Ausübung des Ermessens unbillig wäre.
Änderungskündigung bei Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes
Wenn eine betriebliche Aufgabe wegfällt, kann der Arbeitgeber gegenüber dem Stelleninhaber eine betriebsbedingte Änderungskündigung aussprechen.[4] Dies ist eine Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot zur Eingehung eines neuen Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen, also z. B. mit neuen Aufgaben und geänderter Vergütung.
Eine solche Kündigung muss sich ggf. an den Vorschriften des Kündigungsschutzes messen lassen.[5] Dabei verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vom Arbeitgeber, dass er im Fall des Vorhandenseins anderer freier Arbeitsplätze im Unternehmen diese dem Arbeitnehmer anbietet. Bestehen mehrere geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, hat der Arbeitgeber denjenigen Arbeitsplatz anzubieten, dessen Arbeitsbedingungen sich am wenigsten von den bisherigen Verhältnissen entfernen.
Gemessen an diesem Maßstab verwarf das Landesarbeitsgericht Mecklenburg‑Vorpommern[6] die von einem Verein seinem früheren Qualitätsmanagementbeauftragten gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung. Der Verein hatte ihm die Stelle einer Pflegefachkraft angeboten. Das Gericht stellte aber fest, es habe mehrere, dem Mitarbeiter nicht angebotene freie Arbeitsplätze gegeben, die das bisherige Arbeitsverhältnis in geringerem Maße verändert hätten. Die Kündigung war deshalb unwirksam.
Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung als Voraussetzung
für die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses
Für die Überlassung von Arbeitnehmern bedarf der Verleiher einer entsprechenden Erlaubnis.[7] Liegt eine solche nicht vor, so fingiert das Gesetz das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher.[8] Voraussetzung ist, dass es sich bei dem, was Verleiher und Entleiher vereinbart haben, rechtlich auch tatsächlich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt und nicht etwa um einen Werk- oder Dienstvertrag. Dies hat das Bundesarbeitsgericht[9] entschieden.
Eine Arbeitnehmerin hatte geltend gemacht, ihre Verleihfirma habe zum Zeitpunkt ihrer Überlassung an eine Rundfunkanstalt nicht die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besessen. Deshalb sei zwischen ihr selbst und der Rundfunkanstalt ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.
Das Gericht wertete den Vertrag zwischen der Rundfunkanstalt und der Verleihfirma indes als einen Dienstvertrag. Da somit kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vorlag, konnte auch die entsprechende gesetzliche Fiktion nicht greifen.
Ansammeln von Urlaubsansprüchen bei Unsicherheit über die Bezahlung
Streiten Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat, ist es mit dem Unionsrecht[10] nicht vereinbar, wenn der Arbeitnehmer erst Urlaub nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er für diesen Urlaub Anspruch auf Bezahlung hat.
Das Ziel des Urlaubsanspruchs liegt in der Erholung und Entspannung des Arbeitnehmers. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn Unsicherheit in Bezug auf das ihm geschuldete Entgelt besteht. Solche Umstände können den Arbeitnehmer davon abhalten, seinen Jahresurlaub zu nehmen.
Weigert sich der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer Urlaubszeiten zu vergüten, so muss der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, nicht ausgeübte Ansprüche auf bezahlten Urlaub zu übertragen und ggf. bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses anzusammeln.
(Quelle: Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union[11])
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GWB Boller & Partner mbB
Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte
[1] BAG, Urt. v. 06.09.2017, 5 AZR 429/16, NZA 2017, S. 1545, LEXinform 1665036.
[2] BAG, Urt. v. 23.08.2017, 10 AZR 376/16, NZA 2017, S. 1595, LEXinform 1665427.
[3] § 315 BGB.
[4] § 2 KSchG.
[5] § 1 KSchG.
[6] LAG Mecklenburg‑Vorpommern, Urt. v. 30.05.2017, 2 Sa 249/16, LEXinform 4043412.
[7] § 1 AÜG.
[8] § 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 9 Nr. 1 AÜG.
[9] BAG, Urt. v. 27.06.2017, 9 AZR 133/16, LEXinform 1665353.
[10] Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung v. 04.11.2003.
[11] EuGH, Urt. v. 29.11.2017, C 214/16, LEXinform 5215331.