Arbeit auf Abruf: Hohe Risiken! Minijobs auf Abruf: Vereinbarung einer wöchentlichen Arbeitszeit prüfen
Am 01.01.2019 ist das Gesetz zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts – Einführung einer Brückenteilzeit vom 11.12.2018 (BGBl I S. 2384) in Kraft getreten. Das Gesetz enthält Änderungen des § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), der die Rahmenbedingungen für die Arbeit auf Abruf regelt. Ist die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht mit dem Arbeitnehmer festgelegt, gilt seit 01.01.2019 eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche (bisher 10 Stunden) als vereinbart.
Das TzBfG gilt auch für die auf Abruf arbeitenden Minijobber. Bei nicht vereinbarter Arbeitszeit werden nun auch für Minijobber 20 Wochenstunden für die Abrufarbeit festgelegt. Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Mindestlohns würde damit die Minijob-Grenze von 450 EUR überschritten und das Beschäftigungsverhältnis sozialversicherungspflichtig.
In solchen Fällen drohen:
- Lohnnachforderungen des Arbeitnehmers;
- Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Rentenversicherung einschließlich Säumniszuschlägen (bis zu 4 Jahren).
Empfehlung: Vereinbaren Sie auch bei Minijobs auf Abruf eine feste wöchentliche Arbeitszeit.
Unabhängig von der Problematik bei Minijobbern gilt das Problem der nicht festgelegten Arbeitszeit bei Tätigkeit auf Abruf (Aushilfsarbeitsverhältnisse, etc.) für alle Arbeitsverhältnisse. Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf die Vergütung für 20 Stunden pro Woche, wenn keine andere Arbeitszeit festgelegt ist, völlig unabhängig davon, ob die Arbeit abgerufen wurde oder nicht. Hier besteht ein erhebliches Risiko auf Arbeitgeberseite.
Bei der vertraglichen Gestaltung in solchen Fällen beraten wir Sie gerne rechtlich (Ansprechpartner: Rechtsanwalt Oliver Stumm).
Midijobs – Aus Gleitzone wird Übergangsbereich – Änderungen zum 01.07.2019
Mit dem „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“ wird die Gleitzone ab dem 01.07.2019 neu geregelt:
- Die monatliche Entgeltgrenze wird von bisher 850 EUR auf 1.300 EUR angehoben.
- Die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers führen ab Juli 2019 nicht mehr zu reduzierten Rentenansprüchen.
- Die Begrifflichkeit ändert sich: Aus der bisherigen „Gleitzone“ wird ein „Übergangsbereich“. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich inzwischen der Begriff „Midijob“ durchgesetzt, der ab Juli 2019 auch in den DATEV-Lohnprogrammen verwendet wird.
Reisezeit ist grundsätzlich vergütungspflichtige Arbeitszeit
Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung in Bezug auf die Vergütungspflicht von Reisezeiten geändert.[1] Danach kann ein Arbeitnehmer nunmehr außerhalb der geregelten Arbeitszeit für Reisezeiten eine Vergütung erwarten und geltend machen, wenn nichts Gegenteiliges vereinbart ist.
Bisher galt ohne entsprechende Vereinbarung, dass bei Reisezeiten (ohne Zeiten Fahrten Wohnungsstätte Betrieb) nur die regelmäßige Arbeitszeit an dem jeweiligen Arbeitstag als vergütungspflichtige Arbeitszeit galt.
Empfehlung: Arbeitgebern ist daher dringend zu empfehlen, für Mitarbeiter, die Dienstreisen im Interesse des Arbeitgebers unternehmen, die Vergütungspflicht der Reisezeiten individualvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung zu regeln.
Keine pauschalen Kilometersätze für Fahrtkosten bei auswärtiger Tätigkeit und Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Arbeitnehmer, die auswärts tätig sind, können für die beruflich veranlassten Fahrten die tatsächlich entstandenen Kosten als Werbungkosten geltend machen.
Statt der tatsächlichen Aufwendungen kann aus Vereinfachungsgründen je nach Art des benutzten Verkehrsmittels (z. B. Pkw, Motorrad, Motorroller, Moped und Fahrrad) ein pauschaler Kilometersatz (höchste Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz) für jeden gefahrenen Kilometer angesetzt werden.[2]
Das Finanzgericht Hamburg[3] hat entschieden, dass keine pauschalen Kilometersätze angesetzt werden können, wenn die Dienstfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt wurden. Dann sind nur die tatsächlichen Aufwendungen ‑ sofern nicht bereits seitens des Arbeitgebers erstattet ‑ als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Der Bundesfinanzhof muss abschließend entscheiden.
Arbeitsunfall durch Sturz in der eigenen Wohnung auf dem Weg zum Homeoffice
Ein Sturz auf der Kellertreppe innerhalb der Wohnung kann ein Arbeitsunfall sein, wenn sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte im selben Haus befinden und der Betriebsweg ‑ hier die Kellertreppe ‑ in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird.
Eine Key-Account-Managerin verletzte sich beim Sturz auf ihrer Kellertreppe, als sie innerhalb der Kernarbeitszeit von einer Messe kommend in ihr Homeoffice ging, um einen potenziellen Kunden anzurufen.
Das Bundessozialgericht[4] entschied, dass die an der Außentür des Wohnhauses orientierte Grenzziehung für Betriebswege nicht greift, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte im selben Haus befinden und die objektiven Umstände des Einzelfalls auf die Handlungstendenz des Versicherten hinweisen, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen.
Diese Informationen stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung oder gar eine verbindliche Auskunft dar und können eine Einzelfall-Beratung nicht ersetzen. Für etwaige Erläuterungen oder Nachfragen stehen wir Ihnen auch persönlich gern zur Verfügung. Bei Fragen zum Arbeitsrecht wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Oliver Stumm, Tel.-Nr. 06421/4006-120.
GWB Boller & Partner mbB
Steuerberater Wirtschaftsprüfer Rechtsanwälte
[1] BAG, Urt. v. 17.10.2018; 5 AZR 553/17
[2] § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG.
[3] FG Hamburg, Urt. v. 02.11.2018, 5 K 99/16, (Rev. eingel., Az. BFH: VI R 50/18), EFG 2019, S. 155, LEXinform 5021745.
[4] BSG, Urt. v. 27.11.2018, B 2 U 28/17.