Steuerliche Änderungen 2022/2023
Bei sog. Midi-Jobs (Verdienst bisher: 520,01 Euro bis 1.600,00 Euro) steigt im Jahr 2023 die Verdienstgrenze. Künftig dürfen monatlich bis zu 2.000 Euro verdient werden. Bis zu dieser Grenze gilt, dass Beschäftigte geringere Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen.
Arbeitgeber sind von 2023 an verpflichtet, am Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) teilzunehmen. Kranke Arbeitnehmer, die gesetzlich versichert sind, müssen ihrem Arbeitgeber dann keine AU-Bescheinigung auf Papier mehr vorlegen, bekommen aber in der Praxis einen Ausdruck für ihre Unterlagen.
In der gesetzlichen Rentenversicherung werden zum 01.01.2023 die Hinzuverdienstmöglichkeiten bei vorgezogenen Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten grundlegend reformiert. Frührentner können dann beliebig viel hinzuverdienen, ohne dass ihnen die Rente gekürzt wird. Im Bereich der Erwerbsminderungsrenten werden die Hinzuverdienstmöglichkeiten deutlich ausgeweitet.
Bundesarbeitsgericht (BAG/EuGH): Verjährung von Urlaubsansprüchen
Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt nach einem Urteil des BAG vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Grundsatzurteil des BAG
Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§§ 214 I, 194 I BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 I BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Das BAG hat damit die Vorgaben des EuGH aufgrund der Vorabentscheidungen vom 22.09.2022 umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 II der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.
Verfall von Urlaubsansprüchen:
Das BAG hat in seiner früheren Entscheidung vom 19.02.2019 (Az. 9 AZR 541/15 ) bereits deutlich gemacht, dass der nicht genommene Jahresurlaub des Arbeitnehmers nur dann verfällt, wenn der Arbeitgeber auf diese Folge in gebotenem Maße hingewiesen hat. Dies betrifft sowohl den laufenden Jahresurlaub als auch nicht genommenen Urlaub früherer Jahre.
Praxis-Formel des BAG
Wichtig ist zunächst, dass der Arbeitgeber sich bei der Erfüllung seiner Hinweisobliegenheit auf einen konkret bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres bezieht und den Anforderungen an eine völlige Transparenz genügt. Konkret erfüllt der Arbeitgeber seine Obliegenheit, wenn er dem Arbeitnehmer
- zu Beginn des Kalenderjahres
- zumindest in Textform mitteilt
- wie viele Arbeitstage Urlaub ihm im Kalenderjahr zustehen,
- ihn auffordert, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann und
- ihn über die Konsequenzen belehrt, die eintreten, wenn dieser den Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt.
Folglich ist der Hinweis laut BAG bereits dann ausreichend, wenn er zu Beginn des Jahres erfolgt. Ausreichend klar ist die Unterrichtung dann, wenn darüber aufgeklärt wird, dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres wegfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn hätte nehmen können, aber nicht beantragt hat.
Das BAG nennt zugleich auch Beispiele, wie eine Umsetzung in der Praxis nicht den obigen Anforderungen genügt:
So reichen abstrakte Angaben im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung den Anforderungen einer konkreten und transparenten Unterrichtung im Regelfall nicht. Allerdings reicht die Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers auch nicht so weit, dass jede Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruchs dem Arbeitnehmer mitgeteilt werden muss.
Wenn der Arbeitgeber in den vergangenen Jahren die Hinweisobliegenheit nicht in dem erforderlichen Umfang erfüllt hat, kann er die Hinweisobliegenheit nachholen mit der Folge, dass zumindest zum Ende des jeweils aktuellen Kalenderjahres der Urlaubsanspruch verfällt und eine weitere Anhäufung von Urlaubsansprüchen vermieden wird.
Diese Informationen stellen keine rechtliche oder steuerliche Beratung oder gar eine verbindliche Auskunft dar und können eine Einzelfall-Beratung nicht ersetzen. Für etwaige Erläuterungen oder Nachfragen stehen wir Ihnen auch persönlich gern zur Verfügung. Bei Fragen zum Arbeitsrecht wenden Sie sich bitte an Herrn Rechtsanwalt Oliver Stumm, Tel.-Nr. 06421/4006-120.
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