Weithin unbeachtet wurde im letzten Jahr im Zuge der Abwicklung der Cum-Ex-Verfahren auch das Steuerstrafrecht massiv verschärft.
Die wesentlichen Veränderungen im Überblick:
Die strafrechtliche Verfolgungsverjährung für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung (Steuerschaden im Einzelfall je Tat mehr als 50.000,00 Euro, bandenmäßige Begehung, etc.) wurde von 10 Jahre auf 15 Jahre verlängert. Die Neuregelung ist zum 29.12.2020 in Kraft getreten und findet auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten Anwendung.
Wichtig zu wissen ist auch, dass die 15-jährige Verfolgungsverjährung auch gilt, wenn sich im Strafurteil später herausstellen sollte, dass kein besonders schwerer Fall vorliegt, wenn der Tatvorwurf zu Beginn des Ermittlungsverfahrens die Voraussetzung eines Regelbeispiels erfüllt (vgl. Beschluss des BGH vom 05.03.2013, 1 StR 73/13).
Darüber hinaus wurde mit dem am 01.07.2020 in Kraft getretenen zweiten Corona-Steuerhilfegesetz („nebenbei“) das Ende der absoluten Strafverfolgungsverjährung von 20 Jahre auf 25 Jahre angehoben. Zusammen mit der Verlängerung der Verjährungsfrist in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung auf 15 Jahre verlängert sich dadurch auch die Frist der absoluten Strafverfolgung in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung auf 37,5 Jahre.
Daneben wurde das Recht der selbständigen Einziehung verschärft. Das Einziehungsverfahren ist ein Nebenverfahren im Strafrecht, mit dem die Vorteile einer Tat bei einem Straftäter abgeschöpft werden sollen.
Ursprünglich hatte hier der Gesetzgeber durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz einen neuen § 375 a AO geschaffen, wonach er entgegen der vorher ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anordnete, dass das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung der Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nach den §§ 73 bis 73 c des Strafgesetzbuches nicht entgegensteht. Dies hätte bedeutet, dass eine Einziehung auch bei verjährten Steueransprüchen noch möglich gewesen wäre. Diese Norm hob der Gesetzgeber jedoch wegen schwerer verfassungsrechtlicher Bedenken durch das Jahressteuergesetz 2020 mit Wirkung zum 29.12.2020 wieder auf. Dafür erweiterte er aber § 73 e Strafgesetzbuch in ähnlichem Umfang. Dies bedeutet im Ergebnis, dass für alle zum 29.12.2020 noch nicht erloschenen Steueransprüche in Zukunft eine Einziehung der Steuern in Fällen der Steuerhinterziehung auch dann möglich ist, wenn die steuerrechtliche Festsetzungsverjährung bereits eingetreten ist und nach den steuerrechtlichen Vorschriften der Steueranspruch erloschen ist. So können über die „Hintertür“ des selbständigen Einziehungsverfahrens die Steuern doch noch abgeschöpft werden. Ob darunter auch die Steuerzinsen fallen, werden die Gerichte noch klären müssen.
Ausblick:
Nicht zuletzt steht noch das neue Verbandssanktionengesetz vor der Tür. Danach sollen Unternehmen selbst dann bestraft werden, wenn sog. Tax-Compliance-Systeme nicht eingerichtet wurden oder lediglich nicht richtig funktionieren. Dies soll vom Kleinstbetrieb bis zum Großkonzern Anwendung finden. Daher wird von der Güte der Tax-Compliance-Systeme bald auch die Frage abhängen, ob Ermäßigungen bei drakonischen Strafen für die Unternehmen denkbar sind oder nicht. Diese Sanktionen werden die Unternehmen voll treffen. Nach § 2 Verbandssanktionengesetz-Entwurf ist bereits die Ahndung objektiver Verstöße möglich, unabhängig von subjektiven Fahrlässigkeits- oder Vorsatzvorwürfen auf der Leitungsebene. Dies zieht eine erhebliche Ausdehnung der Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den bisherigen Regelungen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz nach sich. Wahrscheinlich wird die Neuregelung noch in der laufenden Legislaturperiode umgesetzt. Unternehmen sollten gewappnet sein.
Für Fragen zu diesem Artikel steht Ihnen Herr Rechtsanwalt Erwin Löber gerne zur Verfügung: